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Tanken für 74 Cent pro Kilogramm

Unternehmen im Gespräch: Die Kfz-Werkstatt Bauroth in Pfungstadt rüstet Ottomotoren auf Erdgasbetrieb um – "Nach 40.000 Kilometern sind die Kosten eingefahren"

PFUNGSTADT. Mit Sprit für zehn Euro im Tank kommt ein schwerer Benziner einmal von Darmstadt nach Karlsruhe. Mit Erdgas kommt der Benziner für das selbe Geld auch wieder zurück. Das ist die Rechnung, mit der Sirko Bauroth Kunden gewinnt. Ihn selbst überzeugte die Rechnung so sehr, dass er seine Kfz-Werkstatt Bauroth in Pfungstadt vor zwei Jahren um einen Geschäftsbereich erweiterte. Er rüstet Ottokraftstoff-betriebene Fahrzeuge auf Erdgas um – rund 30 hat der 35-Jährige schon umgestellt.

Als Sirko Bauroth 1998 die markenunabhängige Werkstatt in der Bergstraße 106c gründete, war er Meister für Kfz-Mechanik (Wartung und Instandsetzung) und für Unfallreparatur (Karosserie und Fahrzeugbau). Heute sind er und seine Mitarbeiter – ein Mechaniker-Meister, ein Geselle für Unfall-Reparatur und ein Lehrling – zudem Experten für Erdgasumbau, und eine der ganz wenigen im Kreis, die auf Erdgas umrüsten. So heben sie sich aus der Konkurrenz der Kfz-Werkstätten heraus, "allein fünf in einem Radius von 150 Metern", sagt Bauroth.


 

Die Operation Erdgaseinbau ist tatsächlich mehr ein Auf- als ein Umrüsten. Der Benzintank bleibt erhalten, entweder vollständig als zweite Kraftstoffquelle ("bivalent") oder als 14 Liter-Tank für den Startvorgang ("monovalent"), erläutert Sirko Bauroth. Die Erdgasflaschen sind je nach verfügbarem Raum in verschiedenen Größen und Mengen (zwischen 16 und 150 Litern Volumen) und an verschiedenen Stellen installierbar: im Kofferraum, hinter oder anstelle der Rückbank oder platzsparend "unterflurig", also unter dem Fahrzeug, ohne die Bodenfreiheit zu beeinträchtigen. Der Einbau kostet bei Bauroth ab 3985 Euro. Neben Privatleuten zählt die Werkstatt auch Unternehmen zu ihren Kunden – darunter der Darmstädter Chemie- und Pharmakonzern Merck und die HSE.

"Die Kunden sind ausnahmslos begeistert", sagt Bauroth. Während der Otto-Fahrer beim Tanken angesichts von aktuellen Preisen über 1,21 Euro pro Liter Super verzweifelt, kostet ein Kilogramm Erdgas 70 bis 74 Cent, reicht aber soweit wie 1,5 Liter Benzin (Rechnung auf der Basis von hochwertigem H-Gas). Damit kostet die gleiche Menge Kraftstoff in Erdgas 54 Cent, über die Hälfte weniger als Benzin. "Die Kosten für die Umrüstung sind nach rund 40.000 Kilometern wieder eingefahren, wenn man die Unterstützung vom Energieversorger einbezieht", rechnet Bauroth, "danach spart man bei jedem Liter über 60 Cent". Getankt wird durch einen Stutzen im Motorraum oder in einer zusätzlich angebrachten Außentanköffnung.

Und die Kosten seien nicht der einzige Vorteil. Der Motor laufe leiser und auch länger: "Infolge der hohen Reinheit von Erdgas setzt sich weniger Ölkohle im Motor und an den Verschleißteilen ab, und die Auspuffanlage rostet langsamer", erklärt Bauroth. Erdgas sei bei Unfällen mindestens genauso sicher wie Benzin: Es entzündet sich erst bei 620 Grad Celsius, Ottokraftstoff dagegen bei 200 Grad. Der Tankbehälter für Erdgas ist zudem aus dichtem Stahl, nicht aus Kunststoff wie der Benzintank.

Ein unvermutet leerer Tank und keine Tankstelle weit und breit – ein solches Szenario braucht der Fahrer nicht befürchten. Ein Signalton meldet, wenn das Erdgas zur Neige geht, die nächste Tankstelle angesteuert werden sollte. Bivalente Fahrzeuge schalten zudem – sofern das beim Einbau so gewünscht wurde – automatisch auf Benzintank um. Der Wechsel zwischen den Tanks geschehe ohne Ruckeln, auch fahrergesteuert auf Knopfdruck, so Bauroth.

Das Tankstellennetz in Deutschland ist bislang noch dürftig. Rund 450 gebe es für die bundesweit etwa 20.000 Fahrzeuge, schätzt Bauroth, im näheren Umkreis je eine in Darmstadt und in Bensheim sowie weitere in Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und Mannheim. Bis 2007 solle die Zahl bundesweit auf 1000 wachsen, sagt Bauroth. Auch für Pfungstadt sei eine Station angedacht. Europaweit verfügten die Schweiz und Italien über ein dichteres Netz an Erdgas-Tankstellen.

Von der Zukunft des Erdgases ist Bauroth überzeugt: "Auch Industrie und Politik stehen voll dahinter." Mittelfristig erwarte er bis zu 70 Umrüstungen pro Jahr. Zukunftsträchtig ist das Erdgas allemal: 80 Prozent weniger Schadstoffausstoß produzieren Erdgas-Fahrzeuge. Die Reserven des vergleichsweise leicht zugänglichen und transportablen Erdgases langen – je nach Nachfrageentwicklung – weit über die des Erdöls hinaus, was weiterhin und längerfristig Preisstabilität verspricht.

Neben einem guten Riecher für alternative Kraftstoffe hat Sirko Bauroth auch einen grünen Daumen. Im Büro wuchert eine Kletterpflanze an den Wänden entlang, wie es sich kein Zimmergärtner schöner wünschen könnte. Im Baurothschen Büro geht es ohnehin lebhaft zu. "Wenn die Spritpreise wieder mal steigen, kommen die Benzintanker ins Rechnen, dann steht das Telefon nicht mehr still." Eine neue Bürokraft hat er gerade gefunden; Ende des Jahres soll fürs Umrüsten ein neuer Mann kommen, damit er anstelle von 12 bis 14 Stunden in der Firma mal wieder Zeit für die Familie findet.

Um auch für Dieselfahrer eine günstige Alternative zu schaffen, beobachtet der Kfz-Meister Bauroth die Entwicklung alternativer Kraftstoffe. Elektro- und Solarautos werden sich nicht durchsetzen, und Wasserstoffantrieb gibt es vielleicht in knapp zehn Jahren, prognostiziert er. Auch für Rapsöl sei die Zeit noch nicht gekommen. Für den Umrüster sind die nachwachsenden Rapspflanzen die perfekte Ergänzung zum Erdgas-Geschäft: als Alternative für die Kundschaft, die bislang auf Diesel setzt.

 

Christiane Gelitz - 7.8.2004
 

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